Es gibt in der „Burg zu Hagen“ eine Ausstellung über Papier als künstlerischer Werkstoff.
Ich beginne zu zeichnen und bleibe mit dem Blick an einer Arbeit hängen. Es sind tropfenförmig auslaufende Papierstreifen, die überlappend übereinander geklebt wurden. Die Zeichnungen, die daraus entstehen, üben auf mich einen großen Reiz aus. Ich notiere auch, was die Künstlerin zu ihrer Arbeit formuliert: „Nimia II -Der Titel meiner Arbeit ist ein lateinisches Wort, das „zu viel“oder „übermäßig“bedeutet.

Es ist nicht klar, ob ich am vorletzten Tag meines Aufenthaltes noch einmal eine Fahrradtour unternehmen werde oder mit der Kamera das Königsmoor besuchen werde. Als ich das Stichwort der letzten Gespräches notiere, ist die Entscheidung getroffen: Ich werde ins Moor fahren und „Nimia“ als Schlüsselbegriff für meine Fotografien nutzen.
Mit dem Besuch in der Papierausstellung entwickelt sich eine weitere Strategie der Vorarbeit für die Fotografie: von einem Wort, einem Begriff ausgehen -Vielleicht kam ich auf die Idee, weil ich den Text über das „Poetische Denken“gelesen habe. Es führt bei mir zu einer anderen Sensibilitat gegenüber dem geschriebenen Wort. Wenn das Wort in seinem bildhaften Wert ernstgenommen wird, kann es inspirierend wirken: Die Gefahr, dass die auf eine illustrative Rolle zurückgeworfen wird, bleibt allerdings bestehen und muss zu einem Misstrauen führen.
Ich fahre mit dem Begriff „Nimia“im Kopf in das Moor. Ich habe mein 40mm Objektiv an die Kamera geschraubt. Im Gegensatz zum Weitwinkelobjektiv, das ich auch noch dabei habe, eignet es sich eher, um den Eindruck von Gedränge zu erzeugen.
Ich komme an und es fällt mir nicht leicht die Fülle zu finden. Es sind die Wege, die überwuchert sind, in denem sich vielleicht so etwas wie Fülle finden lässt. Bei den ersten Fotos lege ich mich in die Wiese und fotografiere in Richtung Himmel. Ich bin gewissermaßen in der Fülle und schaue nicht auf sie herrab.
Die weiteren Fotos sind demgegenüber konventioneller und ausdrucksloser. Von einem erhobenen Kamerastandpunkt schaue ich auf Blumengruppen herab. Es rächt sich, dass ich kein Stativ mitgenommen habe: Das Stativ ist die Staffelei des Landschaftsfotografen. Ohne Stativ bleibt man doch oft der Gelegenheitsfotograf, den es irgendwie hierhin verschlagen hat und , der von oben auf eine Landschaft hinabschaut. Ich habe außerdem in das Hochformat gewechselt.
Eine meiner Ziele ist Birken aufzunehmen. Es ist deren Fülle, die den Bestand des Königsmoores bedroht. Fülle ist nicht nur ein positiv besetzten Begriff, das wird damit deutlich. Es will mir nicht recht gelingen -Ich glaube auch, weil ich an Hochformat festhalte und alles doch recht distanziert und ausschnittshaft erscheint. Es gibt eine Fotografie aus dem letzten Jahr, bei der dies besser gelungen ist. Es zeigt eine dichte Wand aus Birken. Es ist eine der wenigen Aufnahmen im Querformat. Ich bin auch hier sehr nach dran, was durch das 24 mm Objektiver möglicht wird. Es gibt also keine einfache Gleichung 24 mm = Weiter Raum ; 40mm= Fülle..,
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