Kunst vermitteln

Große Bedeutung der Narration

Mitarbeiterführung für die Angestellten der Kölner Sparkasse
Ort:Käthe Kollwitz Museum Köln
Datum:4.7.2019

„Kollwitz im Esszimmer- Leben mit schwerer Kost“- unter diesem Titel wird eine neue Sonderausstellung im Käthe Kollwitz Museum eröffnet, nachdem die Ausstellung von Anja Niedringhaus abgebaut ist. Die Ausstellung stellt drei Privatsammlungen vor, zeigt, wie die Sammler zu ihrem Sammelobjekt gekommen sind, nach welchen Schwerpunkten sie sammeln und wie sie in ihrer Privatwohnung die erworbenen Werke hängen.

Die Führung , an der ich teilnehme, ist ein Mittagspausenangebot für die Mitarbeiter*innen der Kölner Sparkasse, die ja Betreiberin des Museums ist. Sie ist zeitlich limitiert, weil eine Mittagspause knapp bemessen ist. Weil die Führung sich unmittelbar an eine Presseführung anschließt, bei der die Vermittlerin auch erst informiert worden ist, kann ich beobachten, welche der gehörten Informationen sie quasi intuitiv für diesen Zuhörer*innenkreis auswählt.

Mein erster Eindruck ist, dass es ihr darum geht, das je eigne Gesicht jeder Sammlung herauszuarbeiten. Sie gibt dazu wieder, was die Sammler*innen im Pressegespräch erzählt haben: Eine Sammlung wurde von einem Arzt zusammengetragen, der mit den Grafiken auch sein Arbeitsfeld kommentiert sieht. Ein Blatt aus seinem Besitz zeige z.B. den Besuch einer Arbeiterfamilie im Kinderkrankenhaus. Der Arzt habe berichtet, das zur damaligen Zeit ein Aufenthalt im Krankenhaus meistens ein Zeichen gewesen sei, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Man sähe die Familie zusammengerückt. Die Mutter sei mit ihren Gesten auf das Kind bezogen. Die großen Arbeiterhände des Vaters lägen hingegen auf seinem Schoß. Sie wissen nicht, wie sie das Kind liebkosen können. Die Hände, sonst mächtige Werkzeuge, hier würden sie still stehen.

Eine Unternehmerin habe berichtet, wie sie auf Kollwitz gestoßen sei. Sie sei im Mutterschutz gewesen bzw. hätte zur Erziehung ihrer Kinder eine berufliche Auszeit genommen. Mit Kunstausstellungen habe sie bis dato wenig am Hut gehabt. Sie habe über eine Galerieaustellung von Kollwitz gelesen, die Kinderbetreuung konnte organisiert werden, so dass dieser spontane Galleriebesuch möglich wurde. Sie sei dann von einem Druck so begeistert gewesen, dass sie ihn gleich gekauft habe. Es sei fast eine glückliche Fügung gewesen, dass sie auf Kollwitz gestoßen sei. Mir fällt auf, dass es dass es vor allem darum geht, die Ausstellungsstücke mit der Narrationen der Sammler*innen zu verknüpfen.

In die Sammlung eines Schweizer Juristenehepaares führt die Vermittlerin ein, indem sie die Drucktechnik erläutert. Bei der Bearbeitung einer Druckplatte gibt es im er wieder Zustandsdruckes, die Zwischenergebnisse zeigen, und so die Voraussetzung für die nächste Gestaltungsentscheidung darstellen. Bei der Druckgrafik gehe es nicht darum ein fertiges Bild auf eine Platte zu übertragen. Vielmehr ist der Übertrag auf die Platte selbst ein Gestaltungsakt. Das könne man an den Zustandsdrucken, die ausgestellt sind, gut ablesen, z.B. wie mit Deckweiß auf einem Druck erprobten worden sei, etwas wegzunehmen.

Die beiden Juristen haben die Gestaltungsentscheidungen zum Schwerpunkt ihrer Sammlung gemacht. Sie wollen mit ihren gesammelten Objekten zeigen, wie die Künstlerin an ihren Exponaten gerarbeitet hat. Das eröffne ein Fenster zum handwerklichen Geschick der Künstlerin, das sich gewissermaßen hinter der engagierten Künstlerin entdecken lasse.

In der Nachbesprechung habe ich der gegenüber der Vermittlerin meine Bewunderung ausgedrückt, wie schnell sie eine ansprechende Führung gestalten kann, und bemerkt, wie zielsicher sie aus den vorgetragenen Information die stimmigen Narrationen herausdestillieren konnte. Sie meint, dass Geschichten besonders wichtig seien um ein Kunstwerk näher zu bringen. Das Leben von Kollwitz sei ihr sehr präsent, so dass sie Bezüge zur Biografie gewissermaßen „aus dem FF“ herstellen kann.

Eine Erzählung wird ambivalent

Donnerstagsabendführung
Ort:Käthe Kollwitz Museum Köln
Datum:4.7.2019

Die Vermittlerin lädt mit Gesten ein, sich den Werken zu nähern. Ihre Gesten wollen einen Abstand überbrücken. Donnerstags abends findet im Museum traditionell ein Führung statt. Es gibt Besucher, die immer wieder daran teilnehmen. Besonders ist an diesem Abend, dass auch der Schweizer Sammler teilnimmt.Die einzelnen Sammlung werden vorgestellt, zusätzlich schlägt die Vermittlerin eine Brücke zu den Exponaten der Dauerausstellung. Wir suchen die Arbeiten in den entsprechenden Räumen auf.

Wir stehen vor einer der letzten Druckgrafiken von Kollwitz mit dem Titel „Saaatfrüchte dürfen nicht vermahlen werden.“ Beim Aufhängen hatte mich die Direktorin schon darauf hingewiesen, dass dieses Blatt unter einem hohen persönlichen Risiko in den 40er Jahren entstanden sei. Es hätte sie Künstlerin auch als Wehrkraftzersetzung angelastet werden können. Das gleiche Blatt findet sich auch in der Sammlung der Unternehmerin. Ineinander verhakte Mütter umschließen die Kinder, schirmen sie ab, auch wenn eines der Kinder neugierig in die Umwelt hinaus sieht. Mit dem Wissen um die wirkliche Bedeutung des Soldatischen umschließen die Mütter die Kinder, während die Kinder vor dem Faszinosum des soldatischen Umwelt durchaus angezogen werden, so deutet die Vermittlerin den neugierigen Blick des kleinen Jungen.

Der Schweizer Sammler weist auf die Darstellung der mütterlichen Hände und Arme hin.Diese seien bei Kollwitz selten zierlich noch klein, sondern groß und massiv. Die Arme dick und muskulös. Keine typischen Frauenarme. Wenn ich das weiterdenke und auf die Arbeiterhände des Vaters beim Besuch im Kinderkrankenhaus bezieht, wird die Mutterliebe ambivalent. Kann sie nicht nur beschirmen, sondern auch erdrückend sein? Können die beschützenden Arme überhaupt zärtlich berühren oder sind dafür ebenso nutzlos, wie die schweren Hände des Vaters vor seinem kranken Kind?

Nahtstelle zur Daueraussstellung

Kuratorenführung zur Ausstellung „Digital Revolution“
Ort:Deutsches Filmmuseum Frankfurt
Datum:4.6.2019

Sonderausstellungen werden im Filmmuseum im Dritten Stock werk gezeigt .Dafür stehen drei Räume zu Verfügung. Wir gehen in den ersten Raum und stehen am Eingangsbereich der Ausstellung. Vor mir befinden sich etwas erhöht eine Reihe von Monitoren mit Schrift, Bild und Filmausschnitten, die in das Thema „Digitale Revolution“ einführen sollen. Sie lassen sich wie ein Vorwort zur gesamten Ausstellung lesen, so die Kuratorin. In diesem ersten Raum wird die Geschichte der Digitalisierung anhand von ausgestellten Geräten, Spielen und anderen Medienprodukten gezeigt. Die enge Verknüpfung von Softwareentwicklung und der digitalen Tricktechnik der Filmindustrie wird mit Filmausschnitten verdeutlicht.

Die Kuratorin erläutert, dass diese Sonderausstellung nicht vom Filmmuseum erarbeitet worden. Vielmehr handele es sich um eine Übernahme von einer anderen Ausstellungsinstitution. Bei der Adaption für das Filmmuseum habe man beachten müssen, dass die Ausstellung unter einer weitergehenden Zielrichtung erarbeitet wurde, obwohl das Medium natürlich in den Blick genommen werde. Bei der Verkleinerung und Einrichtung der Ausstellung habe man sich natürlich auf das Medium Film bezogen. Trotzdem sei es auch eine Anforderung an die Vermittlung, die Brücke zur Dauerausstellung und damit zum Film zu schlagen.

Nach der Kuratorinnenführung ist unter den Vermittler*innen die Idee aufgekommen,, dass sie die Ausstellung von den letzten Räumen her aufrollen wollen. Die letzten beiden Räume widmen sich der interaktiven Computerkunst und zeigen Filmtricks in neuen Filmen wie z.B. „Gravity “ und „Interception“. Alle anwesenden VermittlerInnen waren sich einig, dass der „genealogische“ Aspekt der Ausstellung nur für ältere Besucher interessant sei, die sich in den Maschinen und den alten Spielen wiedererkennen können.

Ich werde zum Zeitzeugen

Ausstellung: Digital Revolution
Ort:Deutsches Filmmuseum Frankfurt
Datum:8.8.2019

Ich sitze an den großen einführenden Monitoren und schreibe meine Eindrücke fast in Echtzeit mit. Die dargebotenen Loops aus der digitalen Vergangenheit lassen mich nicht mehr los. Die einfachen Grafiken, die nicht leugnen Computergrafiken zu sein. Schleife auf Schleife und ich stehe auch nicht bei der Wiederholung auf.
Schnipsel laufen in Endlosschleifen, Film, Text und Musik; Andy Warhol bearbeitet ein Bild von Debby Harry, die vor ihm sitzt und deren Bild wahrscheinlich mit einer Kamera aufgenommen wird und auf einem TV-ähnlichen Monitor erscheint. Die SIMS, das einzige Computerspiel, das ich je besessen habe, aber von mir nie gespielt wurde. Das Pongspiel, weswegen ich immer zum Verbrauchermarkt mit meinen Freund Tobias gegangen bin, um an ausgestellten Fernsehern zu spielen oder aber die Zielanimation für die Vernichtung des Todessterns aus „Krieg der Sterne“. „Kaiser“, ein Zivilsationssrollenspiel mit einfachster Grafik, das noch an den Fernseher angeschlossen wurde und das die jugendlichen Patienten der Kinder -und Jugendpsychiatrie an Sonntagen während meines Zivildienstes den ganzen Tag im abgedunkelten Gruppenraum zusammen mit einem Pfleger spielten.
Diese Wand lädt dazu ein, das eigene Leben in der Entwicklung der digitalen Revolution zu verorten. Es lädt ein zur Zeitzeugenschaft.

Ein Vermittler des Filmmuseums berichtet über seine Führungen durch die Ausstellung „Digital Revolution“

Ich habe hauptsächlich die öffentliche Führung jeden Samstag für alle Besucher, die eine oder andere Schülerführung und diverse Führungen mit Erwachsenengruppen aus verschiedenen Medienkontexten durchgeführt. Wobei es bei der öffentlichen Führung ausschließlich um die Sonderausstellung im 3. Stock geht. Die anderen Führungen sollen ja häufig die anderen beiden Stockwerke der Dauerausstellung miteinbeziehen.

Ich beginne die Führung im ersten Raum.Ich habe meinen Focus auf Dinge gesetzt, die auch mit dem Thema Film zusammenpassen. Drumcomputer, Synthesizer, Quantel Paintbox, IMac und The Project hab ich aber immer drin, weil sich daran gewisse Aspekte der Digitalisierung auch in Bezug auf Film gut erklären lassen. Im zweiten Raum gehe ich immer das Johnny Cash Project, die Wundertrommel und Minecraft ein, im dritten Raum immer auf die Installation zu den Filmen Gravity und Inception. Am Exponat zu Gravity lassen sich viele Aspekte von Digitalisierung im Beeich Film erklären. Infastruktur, Demokratisierung und Emanzipation der Produktionsmittel sowie 3- D-Computergrafik im Film (CGI) , zu allem kann man bei diesem Exponat was sagen.

Im Mittelpunkt steht für mich dabei immer der Bezug zu Film und anderen Unterhaltungsmedien und wie „Digitalisierung“ diese Medien beeinflusst hat. Es ist schließlich das Filmmuseum und und in diesen Kontext sollte die Sonderausstellung verstanden werden. Ansonsten könnte man den 3. Stock ja nach Lust und Laune für alle möglichen Sonderausstellungen nutzen. Ich denke es ist wichtig zu verstehen, das die „Digital Revolution“ Ausstellung auch wunderbar ohne den Rest des Hauses funktioniert… aber ich glaube nicht, dass es im Interesse des Filmmuseums wäre das auch so abzubilden.

Ich glaube wer kein Narrativ will, der nimmt auch nicht an einer Führung teil, Museumstafeln lassen sich wunderbar im eigenen Tempo lesen und verstehen.
Eine Führung ohne narrativ kann ich mir nicht vorstellen, wie soll das funktionieren? Wenn man nur Schnipsel zu einzelnen Exponaten runterbetet und keinen größeren Kontext für die Besucher schafft, dann wird so eine Führung, glaube ich, ziemlich schnell zäh und langweilig.

Ich begreife mich dabei als Referent. Ich halte einen Vortrag mit dem Ziel Wissen über den/die Zusammenhäng/e in der Ausstellung zu vermitteln.
Da kommen auch viele Anekdoten aus meinem Repertoire (das ja auch ständig wächst) und bei der nächsten Führung dann eventuell wieder andere.
Es kommt auch immer auf die Gruppe die Fragen und Interessen an. Junge Menschen brauchen andere Geschichten als Ältere. Menschen mit professionellem Hintergrund wollen fachsimpeln, der Laie braucht Analogien und Metaphern.

Ich komme mit den Besuchern durch Fragen, die ich oder die Leute stellen, ins Gespräch. Meine Fragen suchen zwar immer nach einer Transferleistung bei den Museumsgästen aber führen auch häufiger zum Ausstausch.
Wenn die Besucher fragen stellen kommt es öfter mal zum kurzen Gespräch, allerdings ist das mit Gesprächen immer eine Gradwanderung. Befasst man sich zuviel/zulange mit einem Besucher läuft man Gefahr den Rest der Gruppe zu langeweilen oder zu verlieren.

(nach einem eMail Interview)