Unvermittelt im Niemandsland

Tiny House in Nantes Buch

Studiemodul 3B
Ort:München; Stiftung Nantes Buch
Datum:22.6.2019

Wir haben sehr viel über Kooperationen, Stiftungen, Ministerien und Projekte in der Kulturellen Bildung erfahren. Wir haben viele Schnittstellen in der Kulturelle Bildung aufgezeigt bekommen. Am Ende bin ich mit einer überdimensionierten Struktur konfrontiert: Groß denken in den großen Räume einer Stiftungstagungsstätte. Ich habe das Bedürfnis mich in die Ecke zu setzen und etwas Kleines zu bauen.
Ich habe dann eine Arbeit aus gerissenem Papier erstellt. Bei der Arbeit daran wurde mir Bruchlinien wichtiger als Schnittstellen. Als ich am letzten Tag aufgewacht bin, wurde mir klar, welches Bedürfnis daraus sprach. Es geht mir um ein Tiny House. Ich bastele mir auch ein Tiny House und stelle es dann in den Örtlichkeiten von Nantes Buch auf und mache entsprechende Fotos. Es ist ein Verfahren der Kommentierung, indem man etwas hinzufügt. Ich störe mit meinem Tiny House das sogenannte Lange Haus der Stiftung. Ich setzte dagegen eine zerbrechliche, mit ärmlichen Mitteln zusammengeschusterte Struktur.

Mich beschäftigt, was ich durch eine Kooperation über meine Arbeit erfahren kann. Nicht: wie optimiere ich unsere Kooperationen oder wie knüpfe ich immer weitergehende Netzwerke sondern wie verändere ich mich durch die Kooperation. Wie kann „Kulturelle Bildung an Schulen“ mein Verständnis über das Praxisfeld Schule ändern, indem ich den fremden Blick der kooperierenden Institution annehme ?

Bruchlinien

Was nistet denn da an der Grenze? Was bewegt sich da zwischen den Stühlen? Was führt zur Abstoßung? Was windet sich? Was entzieht sich einer klaren Grenzlinie? Was hat sich aus dem Gebiet zurückgezogen? Was wildert im fremden Bereich? Was schiebt sich über etwas Anderes? Was verzahnt sich? Was bricht? Was wird geklebt? Was reibt sich aneinander? Was entzündet sich? Was durchdringt sich? Was wird wie durch eine Membran aufgenommen? Was ist absolut unverdaulich?

Das Niemandsland als Ort der Interprofessionalität

Um etwas näher auszubuchstabieren, was das „Inter“ in dem Begriff „Interprofessionaliät“ denn auch bedeuten könnte, erscheint mir der Rückgriff auf das kleine Bändchen „Es gibt keine kulturellen Identitäten“ von Francois Jullien interessant, das 2017 im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Der Autor will die Unterschiede der Kulturen nicht als Differenz, sondern als Abstand fassen. Die Differenz wird als Trennlinie einmal festgestellt und man richtet sich nur noch im eigenen Feld ein. Demgegenüber ist der Abstand ein Konzept, das nach einem dauernden Vergleich ruft, Abstände müssen dauernd vermessen werden. Sie sind dynamisch, sie ändern sich. Während die Differenz nur Grenzlinien erzeugt, eröffnet der Abstand einen Zwischenraum, ein „Inter“ ein Niemandsland. Vielleicht ist das auch ein treffender Begriff für das „Inter“ in Interdisziplinarität .Es geht nicht um die Einebnung der Unterschiede, sondern um deren Nutzbarmachung.

Meine Standpunkte

Ich kann das Niemandsland verlassen und mich in die andere Institution begeben, in ihren Handlungen mitschwimmen, mich treiben lassen, in ihr aufgehen. Ich kann aber auch im Niemandsland bleiben. Mich hinsetzen, mein Skizzenbuch herausnehmen und beobachten.

Ich habe meiner Institution den Rücken zugekehrt. Allerdings habe ich die Frage nach den analoge Pakten im Gepäck, die in dem anderen Praxisfeld zuerst als Fremdkörper wirkt. Ich bringe sie mit, weil vermehrt der Anspruch formuliert wird, im schulischen Feld digitale Pakte abzuschließen.

Dass ich mich hier aufhalten kann, verdanke ich einer Reihe von Türöffner*innen in den einzelnen Häusern und der Galerie. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin hier aber ohne einen professionellen Schnittstellenmanager der Übersetzungsarbeit leistet, um zwischen mir und der Institution zu vermitteln und unsere gemeinsame Arbeit zu optimieren. Im Niemandsland gibt es keine Übersetzer, weil ich die Übersetzungsleistung selbst erbringen will.

Ich kann mich im Niemandsland auch umdrehen und einen Blick auf meine Institution werfen. 

Ein fremder Blick: Die kuratierende Schule

In der Schule werden Unterrichtsobjekte präsentiert, die damit entprofanisiert werden, d.h. sie verlieren ihre Alltäglichkeit. Dadurch, dass sie in der Schule präsent werden, verändern sich die Dinge. Sie werden zu Exponaten.

Die Auswahl der Objekte kann nach unterschiedlichen Konzepten erfolgen. Manche Objekte können ausgewählt werden, um durch ihre lineare Abfolge zu etwas hinzuführen, andere können so angeordnet werden, dass eine Kommmentierung, ein Wechselspiel oder eine Spannung entsteht. Dabei ist davon auszugehen, dass die unterschiedlichsten Objekte miteinander in Beziehung treten würden, wenn die Fachgrenzen oder die Stundenstruktur nicht für die Trennungen sorgen würden.

Die Vermittlungsbemühungen in der Schule können darauf aus sein, die Objekte mit der persönlichen Biographie der Schüler*innen in Beziehung zu setzen, so dass sie die Bedeutung der Objekte für ihr eigenes Leben entdecken . Sie können aber auch entdecken, dass die Objekte bedeutsam für die Biografie anderer waren. Schließlich können sie durch die genaue Untersuchung der Objekte vielleicht auch eine gegenläufige Geschichte finden, oder gar eigene Geschichten aufbrechen und neu erzählen. Die Voraussetzungen für solche Vermittlungsbemühungen ist, dass die Darbietung der Objekte Lücken lässt für die eigene Imagination.

Die Objekte, die in der Schule präsentiert werden, kommentieren sich nicht nur gegenseitig, sondern gehen ein enges Verhältnis mit dem sie umgebenden Raum ein. Ihre Zusammenstellung ist ein einmaliges Ereignis, das sich nur so in dieser speziellen räumlichen Situation mit diesen Schüler*innen realisiert.